Warum Kunst – Gedanken eines Künstlers

Nähe, Ferne und der Mensch dazwischen

Das Geheimnis der Kunst - Konzeptuelle Malerei entsteht in kosmopolitischer Enge. Der Künstler Peter Lahr lebt und arbeitet am Rand des Odenwalds in Katzental. Wann hat der erste Mensch angefangen, etwas zu zeichnen, zu malen? Was hat ihn wohl dazu inspiriert, ein Stück Kohle in die Hand zu nehmen und auf einen Stein zu malen? Warum hat er ein Muster in den Sand gezogen? Was für ein Motiv wählte er? Malte er das, was er gerne hätte. Das, wovor er Angst hatte? Das, was er sich nur wagte, vorzustellen? Wann hast du begonnen zu malen, zu zeichnen? Bist du dabei geblieben? Hast du wieder damit aufgehört? Warum? 

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Viele Fragen umkreisen einen, wenn man das Wort „Kunst“ hört. Die einen brennen dafür. Andere wiederum lässt es völlig gleichgültig. Wozu denn so etwas? Warum? Antworten gibt es so viele wie Menschen. Ich will noch die eine oder andere hinzufügen. Komischerweise hat sich meine Antwort im Lauf der Zeit verändert. Mit Mitte 20 hätte ich ohne lange nachzudenken gesagt:

„Reines Balzritual!“ Da will einer imponieren, sein Territorium abstecken.

Vielleicht locken auch die Aussicht Ruhm oder Geld. Her damit!

Doch mit Mitte 50 haben sich weitere Aspekte ergeben. Kunst erscheint mir wie eine Sprache, mit der ich mich ausdrücken kann. Ohne Worte, mit den schlichten sowie unendlichen Zutaten Farbe, Form und Raum. Eine Lebensnotwendigkeit, eine Form der Kommunikation, eine Art Übersetzungsarbeit zwischen Kosmos und Individuum. Wer drei Stunden ein Modell betrachtet und malt – wie ich es Jahre lang im Zeichensaal der Uni Tübingen tat - der erkennt mehr als bloße Anatomie in seinem Gegenüber. Er entdeckt auch eine Persönlichkeit. Ein Leben, das Spuren hinterlässt. Echte oder erdachte. Gefühlte oder vermeintliche. Egal, wen oder was wir vor uns haben. 

Ob wir am Telefon gedankenlos vor uns hin scribbeln. Im Bus oder Zug wackelig in ein Skizzenbuch notieren oder ganz entspannt in einer Landschaft oder vor einem Gebäude sitzen und es auf eine zweidimensionale Bildfläche umsetzen, wir sehen ganz genau hin. Wir versuchen, uns ein Bild von der Welt zu machen. Uns die Welt zu erklären. Und wir verfallen dabei nicht in Theorien. Nein, wir schaffen unsere Geschichten, erzählen dabei viel von uns. Und erfinden eine eigene Welt.

Hat der Mensch nicht schon immer versucht, sich die Welt zu erklären mithilfe von Geschichten, Legenden, Mythen? Mittlerweile hat sogar die Werbung das „Narrativ“ für sich entdeckt. 
Im Büro des Opas gab es noch ein grünes, tiefes Sofa. Dort konnte ich versinken und auf dem Tisch vor mir meine Blätter füllen. Im großen Board hinter dem Schreibtisch eine verspiegelte Minibar und ein Schwarzweißfernseher. Fenster zu Welten. Der Duft vertrocknete Zigarren. Wilder Westen.

An der Wand gegenüber blickte ich auf ein großes Gemälde im goldenen Schnörkelrahmen. Ein alter Holländer. Darauf zu sehen ein Mann mit Lederklamotten. Auch ein Cowboy? Ein niederländischer? Er wendet sich an ein Pferd und einen Hund. Weite Landschaft, leicht gewellt. „Aufbruch zur Jagd.“ Ruhig. Wolkenverhangene Landschaft, die Ferne erahnen lässt. 
Aus diesem Biotop startete ich mit 14 Jahren meine ersten Erkundungen mit einer Spiegelreflexkamera und einem Aquarellkasten. Mittlerweile kam ein Studium der Archäologie und Kunstgeschichte dazu, die Arbeit als freier Künstler und Journalist. Zwei Kinder eroberten seitdem ihre eigenen Welten im nicht minder abenteuerlichen Katzental.

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Warum also Kunst?

Um den Ruf der Nachtigall ganz deutlich zu vernehmen. Um dahin zu schmelzen. Kurz vor Mitternacht im Mai. Unten am Bach, hinter dem Holunder, der trotz Kälte und Regen langsam Dolden ansetzt. Wer hört noch die Nachtigall? Die Hühner schlafen. Die Hasen trampeln nur ganz selten im Schlaf. Aber der Ruf der Nachtigall durchbricht das Dunkel. Einsamer Sänger. Wie jener, der ins Totenreich hinabstieg und doch alles wieder verlor. Es tröstet, sie zu hören. Auch nach diesem Winter wieder. Sogar näher als letztes Jahr. Längst ist es eine andere, die singt. Bin ich ein anderer, der malt? Hoffe, dass Augen sie ansehen. Sich freuen. Aufhören zu schreien, Türen zu schlagen. Panzer rollen immer näher. Buddhas explodieren.

Darum Kunst. 

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Vita von Peter Lahr

  • 1966    geboren in Heilbronn-Sontheim
  • Theodor-Heuss-Gymnasium in Heilbronn
  • 89-99    Studium der Archäologie und Kunstgeschichte in Tübingen und Heidelberg
  • 92/93   Erasmus-Stipendiat in Perugia und Viterbo (Italien)
  • 94/95   Anatomische Studien bei Clapeko van der Heide, Heidelberg
  • 96-04    Freies Kunststudium am Zeicheninstitut Universität Tübingen, u.a. bei Frido Hohberger, Prof. Manfred Schweiss (Stuttgart), John Ross (Leeds)
  • 2007    Kunstakademie Bad Reichenhall bei Alex Bär (Leipzig)
  • 1998    regelmäßige Ausstellungen 
  • 2003    Freier Künstler, Journalist und Dozent

 

Mitgliedschaften von Peter Lahr

  • Künstlerbund Heilbronn 
  • Kunstverein Heilbronn
  • Förderkreis Kinder und Kunst, Mosbach

 

 

Kontakt zu Peter Lahr

 

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