Marina Abramović

Ein Leben für die Performance zwischen Schmerz und Leid - Marina Abramovic

Ihre Kunst ist stets die Besinnung auf das eigene Ich. Immer wieder brachte sich die wohl berühmteste und unerbittlichste Performance-Künstlerin in eindrucksvoller Art und Weise an die Grenzen ihres eigenen Körpers. Nun hat die 70-jährige ihre eigene Autobiografie „Durch Mauern gehen“ vorgelegt. Eine Retrospektive.

Marina Abramović wurde 1946 in Belgrad als Tochter von kriegsführenden Partisanen geboren. Sie erlebte eine schlimme Kindheit, ihre Mutter hat sie sehr oft blau geschlagen. Sie selbst sagt, das sei die Art ihrer Mutter gewesen, die kleine Marina auf das harte Leben vorzubereiten. Diese Traumata versuchte Marina dann in ihren frühen Performances, die oft zwischen Schmerz und Leid lagen, in Kunst zu verwandeln. Beispielsweise kämmte sie sich mit einem Metallkamm die Haare, bis alles schmerzte, peitschte sich selbst zwei Stunden lang blutig oder ritzte sich mit einer Glasscherbe das Pentagramm in den Oberkörper. 1974 erreichte eine Performance dieser Art ihren vorerst grausigen Höhepunkt: Marina Abramović bot den Zuschauern 72 Werkzeuge an, Sägen, Hämmer und Äxte, mit denen sie aufgebahrt verletzt werden konnte. Die Performance dauerte sechs Stunden und die Künstlerin wäre fast verblutet.

Die Suche nach Grenzerfahrungen und die Tatsache, dass der Mensch seine ganze Existenz hindurch in Angst vor dem Tod lebt und ein Leidender ist, bringt sie dazu, immer wieder nach Transzendierung der Materialität zu streben. Magie, Metaphysik und Mysterien prägen ihre Arbeiten.

Ab 1976 arbeitete Marina dann mit ihrem Lebensgefährten Ulay (Frank Uwe Laysiepen) zusammen. Die beiden wurden am selben Tag geboren. Mit ihm entstanden tiefe Paar-Performances, wie die ineinander atmenden Küsse bis zur Ohnmacht oder das aufeinander zulaufen, bis ihre nackten Körper aneinander knallten. Nach 12 Jahren trennte sich das Paar. Ihre letzte Aktion führte sie 1988 auf einen langen Marsch auf der chinesischen Mauer. Ulay von Westen, Abramović von Osten. Auf dieser Reise betrog Ulay sie mit der chinesischen Übersetzerin, die von ihm schwanger wurde. Er gestand es seiner Partnerin noch auf der Mauer und sie trennten sich spektakulär. Es brach Marina das Herz.

In den letzten Jahren widmete sich Marina dann einer selbstreflexiven Phase in geschlossenen Museumsräumen oder auf Bühnen. Für ihre Performance „The House with Ocean View“ (2002) verbrachte die Ausnahme-Künstlerin zwölf Tage und Nächte ohne Nahrung in einer New Yorker Galerie. Eine der beeindruckendsten Aktionen war „The Artist is Present“ (2010). Hierfür setzte sie sich drei Monate lang still und den ganzen Tag auf einen Stuhl im New Yorker MoMa und lud die Menschen ein, ihr gegenüber Platz zu nehmen und in ihre Augen zu schauen. Mehr als 80.000 Menschen wollten das tun. Es war ein Exzess von Zeit und Anstrengung. Viele der Besucher weinten, als sie ihr in die Augen blickten. Am Ende dieser Performance setzte sich dann Ulay nach all den Jahren seiner ehemaligen Seelenverwandten gegenüber. Den Youtube-Clip, der diesen Moment festhält, haben inzwischen Millionen Menschen angesehen. Sie selbst sagte damals: „Als ich meinen Kopf hob und in seine Augen sah, war das, als würde mein ganzes Leben noch einmal im Zeitraffer vor mir ablaufen.“ Marina weinte stumm.

In Hudson (New York) gründete die Ausnahmekünstlerin 2013 das Marina Abramović Institut, welches sich der Förderung und Verbreitung von Performancekunst widmet. Hier will die berühmte Künstlerin ihre immaterielle Kunst und die spirituellen Techniken der Bewußtseinserweiterung an die jungen Künstler weitergeben.